Oobleck ist eine Flüssigkeit, die bei Druck hart wird. Auch viele Menschen verhärten sich bei Druck, obwohl sie lieber im Flow wären
Mensch Oobleck
Menschen sind wie Speisestärke
Wenn ich am Herd stehe und ein schönes Essen zubereite, ist das für mich eine kontemplative Übung, sozusagen ein Art Meditation.
Ich kann das Kopfkino für einige Zeit ausschalten, weil ich mich voll und ganz auf die Zubereitung konzentriere. Alles andere hat keinen Platz.
Jeder, der gerne kocht, weiß, dass man voll dabei sein muss. Sonst kocht das Nudelwasser über, das Öl verbrennt in der Pfanne oder das Gemüse hat keinen Biss mehr.
Dieses Voll-Dabei-Sein ist übrigens auch im Business eine sehr nützliche Haltung: mit allen Sinnen bei einem Thema, auch wenn es noch so kurz ist. Nur meinen manche, dass „voll dabei“ einem „immer dabei“ gleichzusetzen ist. – Falsch. In 5 Minuten voller Konzentration kann man bessere Entscheidungen treffen als 3 Stunden in einem Meeting zu sitzen und nebenbei seinen E-Mail Postkorb abzuarbeiten.
Kürzlich fiel mir ein schöner Vergleich ein:
Menschen sind wie Speisestärke.
- Speisestärke bindet, z.B. Saucen
- Speisestärke lässt Dinge wachsen, z.B. Kuchen
- Speisestärke gibt Halt, z.B. Käsekuchen
- Speisestärke mag keinen Druck
Oobleck ist eine nicht-newton’sche Flüssigkeit, die selbst leicht herzustellen ist: aus Speisestärke (2/3) und Wasser (1/3).
Im Normalzustand ist diese Pampe zähflüssig.
Übt man aber Druck auf sie aus, wird sie steinhart.
Das erinnert mich an so manche Projekt-Mitarbeiter, die als kreative Menschen behandelt werden wollen
- sich zugehörig fühlen wollen,
- eigenständig sein wollen und
- etwas erschaffen wollen
Für sie ist Druck, z.B. durch einen Projektleiter oder noch schlimmer einen harten Turnaround Manager, unerträglich. Sie stellen sich dem Druck entgegen, werden zurückhaltend bis störrisch oder verlassen innerlich das Projekt.
Wenn sie damit beschäftigt sind, dem Druck mit Gegendruck zu begegnen, werden sie keine Energie für kreatives Schaffen aufbringen können.
Oder haben Sie schon mal einen Wettkämpfer beim Armwrestling gesehen, der nebenbei Schach spielt?
Bei Oobleck hilft es, langsame Bewegungen zu machen.
Die Masse folgt dem Kochlöffel.
Beim Rühren entsteht an seiner Vorderseite Druck. Je langsamer die Bewegung, desto weniger.
An seiner Rückseite entsteht Sog. Die Masse folgt.
Wenn man in einer prekären Projektsituation, in der eh schon alle Mitarbeiter frustriert sind, auch noch zusätzlichen Druck ausübt, führt das zu Verhärtung, Schuldzuweisung und Überdruss, aber bestimmt nicht zu Flow.
Wie aber kann man nun ein zäh laufendes Projekt wieder in Schwung bringen, wenn nicht durch Ansage, Druck und möglicherweise Androhung von moralischen Strafen?
Von Oobleck wissen wir, dass Entschleunigung Beweglichkeit ermöglicht. Durch behutsame Führung des Kochlöffels.
Geht das aber in einem Projekt, über dem der Endtermin wie ein Damoklesschwert hängt?
Meine Antwort ist JA. Aber es braucht Mut, nicht brachial vorzugehen.
Ist der Projekt-Flow zum Erliegen gekommen, helfen kleine Vorbild-Maßnahmen, aus dem Misstrauen der Projektbeteiligten („das klappt eh nicht mehr“) wieder Stück für Stück in ein Zutrauen zu kommen („das können wir schaffen“).
Beim Autofahren legen Sie ja auch nicht den höchsten Gang ein, wenn sie fast stehen, sondern fangen mit kleinerer Übersetzung an: mit dem ersten Gang, dann zweiten usw.
Ein Projekt funktioniert nur mit der Bereitschaft der Mitarbeiter, das Ziel zu erreichen. Dafür brauchen sie Zuversicht und Zutrauen. Und nicht zu viel Druck. – Siehe Oobleck.
Bilder: Robert Wende, giphy.com, Wikipedia